Nr. 5/06/10 Rede des Präsidenten der ÖOG anlässlich des Festaktes

Der heutige Tag gebietet es zunächst, Dank zu sagen. Dank an Sie, Herr Bundespräsident! Sie haben mir im Frühjahr sofort Ihre Teilnahme am heutigen Festakt und Ihre Festansprache zugesagt! Das ist eine sehr große Ehre für uns.

Dank an Sie, sehr geehrte Frau Präsidentin des Nationalrates. Sie haben uns in einen der vornehmsten Säle der Republik eingeladen und wir wissen, dass das keine Selbstverständlichkeit ist. Wir fühlen uns sehr geehrt. Dank aber auch an Sie, Herr Bundesminister Darabos, als den zuständigen Ressortminister für Ihre Ansprache und Ihre Unterstützung und Dank an Dich, Herr Bundesminister Spindelegger, für Deine Teilnahme und Deine Grußworte.

Mein Dank gilt auch den anwesenden Wehrsprechern, bei denen ich in vielen Gesprächen sachliches Verständnis gefunden habe, und ganz besonders auch Dir, Herr General Entacher, Du hast gemeinsam mit dem Herrn Bundesminister wirklich eine sehr schwierige Amtsperiode zu bewältigen.

Nach 50 Jahren war es Zeit, die Geschichte der Österreichischen Offiziersgesellschaft aufzuarbeiten. Unser Generalsekretär, Herr Generalmajor Bauer, hat allein dafür sehr viel Freizeit geopfert, erstmals eine Chronik erstellt, die Sie in unserer Festschrift nachlesen können, und wird uns heute noch darüber berichten.

 Lieber Herbert, Dir und unserer Frau Haffer-Hochrainer sehr herzlichen Dank!

 Mein Dank gilt auch dem gesamten Vorstand der Österreichischen Offiziersgesellschaft mit allen Landespräsidenten, Herrn GenLt Segur-Cabanac als Vertreter des Herrn Bundesministers im Vorstand und allen Mitgliedern, die mich immer unterstützt haben, dem Militärkommando Wien sowie der Gardemusik, die diesen Festakt begleiten.

Sehr geehrte Damen und Herren!

Die heutige Festversammlung ist ein schönes Zeichen für den Korpsgeist, der in unserer Gesellschaft lebt, vielleicht aber auch ein Zeichen der gemeinsamen Sorge für unsere Landesverteidigung.

Seit nunmehr 50 Jahren ist die Österreichische Offiziersgesellschaft  eine Organisation von Berufs- und Milizoffizieren, die sich neben der eigenen Fortbildung sehr bald als wehr- und sicherheitspolitisches Gewissen der Republik verstanden hat und gemäß ihren Statuten heute mehr denn je versteht.

Die gegenwärtige Entwicklung, ich glaube, wir spüren es alle, verursacht eine gewisse Zerreißprobe. Die Solidarität zwischen Berufs- und Milizoffizieren, aber auch die Solidarität zwischen Waffengattungen und innerhalb des Berufsoffizierskorps ist bis in den Generalstab hinein auf die Probe gestellt.

Die von Dr. Zilk geforderte Erhöhung des Heeresbudgets auf 1 % des BIP hätte eine Erhöhung um rund 800 Mio. Euro erfordert. Das wurde politisch nie in Erwägung gezogen. Das immer schon sehr geringe  Heeresbudget ist seit 2007 de facto eingefroren und damit mit einem jährlichen Kaufkraftverlust versehen. Der neue Bundesfinanzrahmen bis 2014 mit seiner Kürzung der Heeresausgaben um nochmals rund 500 Mio. Euro hat die Reform 2010 nunmehr endgültig begraben. Jetzt drohen 70 % des Budgets für Personalkosten aufzugehen, den Rest verschlingen die Abzahlungsraten und die Betriebskosten des Eurofighter sowie die laufenden Auslandseinsätze. Neue Beschaffungen und Investitionen werden zum Problem. Die Verteilungskämpfe im Heer haben begonnen.

Schon höre ich wieder die alten Vorschläge auf Reduzierung der 9 Militärkommanden, auf Reduzierung bis zur Abschaffung der ohnedies nur mehr 10 Milizinfanteriebataillone, auf weitere Reduktion der Ausbildung unserer Präsenzdiener usw.  Was ich nicht höre, ist ein neues Soldatenanstellungsrecht für Neueintretende. Zu wenig diskutiert wird auch das Bedürfnis der Bevölkerung nach mehr Sicherheit.Unsere Bundes-Verfassung schreibt uns nach wie vor die allgemeine Wehrpflicht sowie ein Bundesheer nach den Grundsätzen eines Milizsystems vor und sieht als Hauptaufgabe die Verteidigung Österreichs.

Beide Regierungsparteien bekennen sich auch im letzten Regierungsprogramm eindeutig zu diesen Verfassungsgrundsätzen.

Trotzdem wird man seit Jahren das Gefühl nicht los, dass nicht nur in den Medien, sondern auch hinter den Kulissen ein Berufsheer oder eine berufsartige Struktur des Heeres herbeigeredet werden soll. Leider reichen diese verfassungswidrigen Überlegungen da und dort bis in das Heer selbst hinein. Die neu entstandene Diskussion in der Bundesrepublik Deutschland kann hier nicht behandelt werden. Nur so viel:  Ein Kleinstaat mit 8 Mio. Einwohnern kann ohne allgemeine Wehrpflicht keine ernst zu nehmende bewaffnete Kraft aufstellen. Die allgemeine Wehrpflicht ist daher unverzichtbar. Und ohne EU-Armee, die in weiter Ferne ist, werden wir noch geraume Zeit für uns selbst sorgen müssen. Dies verlangt auch unsere Neutralität.

Die Österreichische Offiziersgesellschaft hat immer wieder darauf hingewiesen, dass die Erfahrungen anderer westeuropäischer Staaten mit Berufsarmeen nicht rosig sind. Die qualitätvolle Rekrutierung einfacher Mannschaftssoldaten wird sehr schwierig. Und so holt man in EU-Staaten mit Berufsarmeen mittlerweile für diesen Zweck junge Leute aus den Gefängnissen, bürgert angeworbene Ausländer ein oder macht Versuche mit der Resozialisierung straffälliger Jugendlicher bei der Armee. Rom hatte im 4. und 5. Jhdt. kurz vor seinem Untergang ähnliche Erscheinungen.

Österreich hat sich in den letzten 50 Jahren überproportional zur Größe des Landes immer wieder an internationalen militärischen Einsätzen der UNO und zuletzt auch der EU beteiligt. Die österreichischen Soldaten rekrutierten sich hiebei bis zu über 60 % aus dem Bereich der Milz. Ich freue mich sehr, dass der Präsident der Vereinigung Österreichischer Peacekeeper, Herr General Greindl, heute unter uns ist. Auch er hat mir  bestätigt, dass eine Beschickung der Auslandseinsätze ausschließlich mit Zeitsoldaten bisher nicht durchführbar gewesen sei und es auf Sicht auch nicht sein wird. Die Österreichische Offiziersgesellschaft war nie gegen Auslandseinsätze und die Milizsoldaten waren bis jetzt immer ein Personalreservoir für die Beschickung solcher Einsätze.

Milizkameraden, sofern sie ausreichend geübt sind, bilden aber auch im Inland den Grundstock, wenn das Bundesheer über einen längeren Zeitraum hinweg durchhaltefähig sein muss, weil andere Einsatzorganisationen nicht mehr „können“.

Der Verfassungsauftrag heißt  „Milizsystem“, und Miliz heißt regelmäßige Übungen und nicht Reserve. Mit nur mehr 10 Milizinfanteriebataillonen, die ohnedies nur eine Mannschaftsstärke von je 700 Mann haben, nicht ausreichend ausgerüstet sind  und nur mit Offizieren und Unteroffizieren üben, wird dieser Verfassungsauftrag nicht erfüllt.

Das aktuelle Problem ist, dass das stehende Heer mit einem personalkostenintensiven Berufskader auf Sicht mit den vorhandenen Mitteln nicht mehr finanzierbar sein wird.

Nur eine neue Mischung aus einer verkleinerten Grundorganisation  qualifizierter Berufs- und Zeitsoldaten mit angemessenen Truppenverbänden von Milizsoldaten kann auf lange Sicht die Budgetknappheit  bewältigen. Über eine besser bezahlte und arbeitsrechtlich abgesicherte Miliz muss nachgedacht werden. Hier muss  nochmals der Unterschied zwischen Miliz und Reserve nach der österreichischen Rechtslage angesprochen werden. Milizsoldaten üben regelmäßig, das ist unser verfassungsrechtlich vorgesehenes System, das sich derzeit aufzulösen droht. Reservesoldat hingegen ist jemand, der nicht übt, sondern nur in der Vergangenheit eine militärische Ausbildung erfahren hat.

Sehr geehrte Damen und Herren!

Was fehlt, sind nicht sicherheitspolitische Analysen. Nahezu jedes Monat erscheinen neue  Studien der Landesverteidigungsakademie und ausländischer Institute sowie Fachzeitschriften, die sich mit diesen Themen befassen. Was fehlt, sind klare politische Beschlüsse auf Grund dieser Analysen, klare Entscheidungen, wie die Sicherheitsinstrumente der Zukunft aussehen. Auch wenn derzeit kein unmittelbarer militärischer Angriff auf Österreich droht, die Zukunft kann niemand vorhersehen und ein Restelement für territoriale Sicherung, wenn einmal die Polizei überlastet ist, muss erhalten bleiben. Niemand schließt eine Feuerversicherung deshalb ab, weil er im Ernst damit rechnet, dass sein Haus in den nächsten 10 Jahren abbrennt. Die Finanzkrise ist innerhalb von drei Monaten aufgebrochen. Unsere Militärkommanden, unsere Milizbataillone und unsere Milizpionierkompanien sind das noch vorhandene territoriale Element unserer Sicherheitspolitik, das – einmal abgeschafft – kaum mehr neu aufzubauen sein wird.

Das Bundesheer hat im Rahmen der Umfassenden Landesverteidigung  kurz gefasst einen dreifachen Auftrag, territorialen Schutz der Bevölkerung und der staatlichen Einrichtungen, Assistenzleistungen – vor allem im Katastrophenfall   –   und fallweise auch Hilfeleistungen im Ausland.  

Die Analysen sprechen von den bekannten Globalisierungsproblemen, den latenten Terrorgefahren, den Gefahren für Infrastruktur und der Gefahr von Angriffen auf die Elektronik der westlichen Industriestaaten – Stichwort „cyber war“.

In Österreich gibt es nach Auflistung des Bundeskanzleramtes und des Innenministeriums allein 1.200 Objekte kritischer Infrastruktur. Es wurde ausgerechnet, dass mit unseren 10 Milizbataillonen im Bedarfsfall maximal 30 davon über einen längeren Zeitraum hin gesichert werden könnten. Mit 10 Milizbataillonen à 700 Mann sind wir daher bereits am unteren Ende der Skala angelangt.

Dass Terroranschlägen hauptsächlich mit polizeilichen Maßnahmen begegnet werden muss und dass die Sicherung unserer technischen Computersteuerungen in erster Linie hochspezialisierte Fachkräfte erfordert, ist klar, dass aber eine mehrtägige Absicherung von Gebäuden und Anlagen hohe Personalstände erfordert, sollte auch klar sein. Der Verfassungsauftrag Miliz hat hier immer noch Sinn, um größere Mannschaftszahlen aufbieten zu können.

Die Solidarität der Mitglieder der Österreichischen Offiziersgesellschaft ist heute auf dem Prüfstand, wenn Berufssoldaten aus Budgetgründen ihre Funktion nicht mehr voll ausüben können und um ihre Laufbahn fürchten müssen und Milizsoldaten, die sehr viel Freizeit opfern, nicht ausreichend unterstützt und ausgerüstet werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin in letzter Zeit immer wieder ermahnt worden, bei aller Kritik das Gute nicht zu übersehen. Ja, das Bundesheer hat sehr gute Offiziere und sehr gute Unteroffiziere, das Bundesheer leistet Hervorragendes im In- und Ausland, im Assistenz- und Katastropheneinsatz, auch wenn manche Assistenzeinsätze und Auslandseinsätze sehr lange dauern und auf die Substanz gehen.

Unsere Brigaden machen aus der Not eine Tugend und vollbringen mit beschränkten Mitteln immer wieder Erstaunliches. Dies führt allerdings dazu, dass Außenstehende glauben, es sei alles in Ordnung. Aber wir müssen uns vor Augen halten, dass nur mehr 5.000 bis 10.000 Soldaten sofort einsetzbar sind und keine Volltruppenübungen mehr stattfinden.

Das Bundesheer der Zukunft muss daher hohe Qualität in einer verkleinerten Zentralstelle mit leistungsfähigen Kommanden und einer ausreichenden Mindestmannschaftsstärke an der Basis verbinden. Die schmerzhaften Einsparungen müssen vernünftig verteilt und es muss unbedingt ein neues Soldatenanstellungsrecht für Neueintretende entwickelt werden. Die Österreichische Offiziersgesellschaft ist bereit, an einer solchen Reform konstruktiv mitzuarbeiten und am Ausgleich der Interessen  mitzuwirken.

Eine drastische Unterversicherung der Republik sollten wir auf jeden Fall vermeiden. Die Aufrechterhaltung von je einem Militärkommando und  je einem Milizbataillon pro Bundesland, aber auch im Kern die Aufrechterhaltung der wichtigsten Waffengattungen mit modernem Gerät und die Durchführung von Übungen ist eine Verpflichtung, die eigentlich nicht in Frage gestellt werden sollte.

Die Delegiertenversammlung der Österreichischen Offiziersgesellschaft hat einstimmig beschlossen, die Wiedereinführung von Volltruppenübungen zu verlangen, weil nur so die Einsatzfähigkeit von Verbänden und die Grundfähigkeit in der Truppenführung erhalten werden kann.

Die vom Milizsystem Betroffenen, also übungspflichtige Milizsoldaten und deren Arbeitgeber, müssen Anreize erhalten, die das System tragfähig machen. Bei den reduzierten Mannschaftsstärken des Bundesheeres und im Hinblick darauf, dass Milizsoldaten wesentlich billiger sind als öffentlich Bedienstete, sollte dies endlich möglich sein.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir wünschen uns, dass der Geist der Liebe zu unserer Heimat, der Geist der Verantwortung für die Sicherheit unseres Gemeinwesens auch in Zukunft durch die Ausbildung eines soliden Offiziers- und Unteroffizierskorps in unserer Gesellschaft verankert bleibt. Es ist wichtig, dass aktive Offizierskameraden von der Zivilgesellschaft unterstützt werden. Milizoffiziere waren immer ein Garant dafür.

Daher mein Appell auch nach 50 Jahren an alle Kameradinnen und Kameraden des Miliz- und Berufsstandes, halten wir trotz aller Zerreißproben zusammen, und meine Bitte an die Politikerinnen und Politiker der Republik, kümmern Sie sich um das Bundesheer, auch wenn es derzeit so scheint, dass wir es nur für Assistenzleistungen brauchen würden. Sicherheit ist ein Produkt wie Atemluft. Kümmert man sich erst darum, wenn sie fehlen, ist es meistens zu spät.

Die menschliche Existenz ist für uns alle, gleichgültig ob wir religiös sind oder nicht, zutiefst rätselhaft. Die Verletzung und Tötung von Menschen ist etwas, das seit Jahrtausenden moralisch geächtet ist. Trotzdem finden solche Taten weltweit auch heute täglich statt. Täuschen wir uns daher keine falsche Sicherheit vor.

Halten wir alle zusammen für unser Österreich!

Bleiben wir wachsam für unsere Sicherheit!

Wer es kann, vertraue auf Gott, wer es nicht kann, vertraue wenigstens auf unser Bundesheer!

Es lebe unsere Republik Österreich!

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