Blick über den Tellerrand
Im August habe ich den jährlichen Sommerkongress der internationalen Offiziersgesellschaft CIOR besucht, in der ich als Vize-Präsident das Mitgliedsland Österreich vertrete. Der formelle und informelle Gedankenaustausch mit Kameraden aus 34 Mitgliedsländern weitet einerseits den Horizont, andererseits kristallisieren sich aber im Vergleich die hausgemachten, österreichischen Probleme in der Sicherheitspolitik noch akzentuierter heraus.
Über die großen geopolitischen Herausforderungen besteht großer Konsens: Bedrohungen aus und im Cyber-Raum, internationaler Terrorismus und die weltweite Migration als Folge kriegerischer Auseinandersetzungen, des Klimawandels und massiver, wirtschaftlicher Ungleichgewichte stehen im Fokus. Bemerkenswert ist aber, dass es international nicht bei der Analyse der Problemfelder bleibt, sondern auch konkrete Ableitungen und Maßnahmen gesetzt werden. Seit dem NATO Summit in Cardiff im Jahr 2014 erhalten wir regelmäßige Fortschrittsberichte der NATO-Länder, die ihre Verteidigungsausgaben schrittweise auf die vereinbarten 2% des BIP anheben. Und auch die bündnisfreien und neutralen PfP-Länder machen ihre Hausaufgaben. Wenn dann die Vertreter der Schweizerischen Offiziersgesellschaft bedauern, dass auch in der Schweiz – an deren Vorbild wir unsere Neutralität ausrichten sollen – nicht mehr alles so klaglos läuft, weil die Mobilmachungsstärke auf 100.000 Soldaten gesenkt wird, dann kommt man wirklich ins Grübeln. Die Schweizer Armee verfügt derzeit nämlich in 10 Brigaden beispielsweise über 134 Kampfpanzer Leopard, 133 Panzerhaubitzen M 109, 30 Jets der Type F/A-18 Hornet und 53 F-5 Tiger, Österreich hingegen in 2 Brigaden und 2 Brigadeäquivalenten über 48 Kampfpanzer und 54Panzerhaubitzen M 109, 15 Jets der Type Eurofighter und 22 Saab 105 Schulungsflugzeuge.
Auf der Insel der Seligen
Während alle sicherheitspolitischen Grundsatzpapiere in Österreich dieselbe Sprache sprechen, bleibt die Umsetzung immer wieder Stückwerk. Kein ernstzunehmender Analyst würde behaupten, dass Österreich wegen seiner Lage oder des Charmes seiner Bewohner vor den großen Bedrohungen geschützt ist. Und doch scheint die Maxime „Es wird schon gutgehen“ die ewige Leitlinie der österreichischen Verteidigungspolitik zu sein. Als im Herbst 2015 die unheilige Allianz aus „Nicht-Wollen“ und „Nicht-Können“ zum Zusammenbruch von Ordnung und Sicherheit an den Südgrenzen Österreichs führte, wurde der Ernst der Lage allerdings offensichtlich. In einer Sternstunde des Parlamentarismus forderte der Nationalrat einstimmig ein Umdenken in der Sicherheitspolitik ein. Die Bundesregierung verabschiedete ein Sicherheitspaket und versprach zusätzliche Mittel – allerdings über Jahre verteilt und damit in der Verantwortung einer zukünftigen Regierung.
Weichenstellung bei der Herbst-Wahl
Damit wird die Nationalratswahl am 15. Oktober auch mitentscheidend sein, welchen sicherheitspolitischen Kurs Österreich in den nächsten Jahren einschlagen wird. Gewiefte Wahlkampfstrategen haben daher natürlich auch das Stimmenpotential der „Plattform Wehrhaftes Österreich“, dem Verband der wehrpolitischen Vereine Österreichs mit bundesweit ca. 250.000 Mitgliedern, entdeckt. Als parteipolitisch unabhängige Organisation ist es jedoch nicht unsere Aufgabe, mündigen Staatsbürgern Wahlempfehlungen zu geben. Aber als größte Lobby für das Bundesheer ist es unsere Pflicht, die Spitzenkandidaten mit konkreten Fragen zur Sicherheitspolitik zu konfrontieren. Lesen Sie die Antworten darauf in dieser Ausgabe der Zeitschrift „ Der Offizier“, und bilden Sie sich selbst ein Urteil.
Erwartungen an die Politik
Und natürlich haben die Vertreter der großen wehrpolitischen Organisationen auch Erwartungen und Forderungen an die zu wählenden Volksvertreter und eine neue Bundesregierung:
- Geistige Landesverteidigung
Ohne den Willen, die Republik Österreich, ihre Grundwerte und vor allem die Bevölkerung zu schützen, sind alle Verteidigungskonzepte wertlos. Um diesen Verteidigungswillen zu erreichen, bedarf es Information und Bewusstseinsbildung innerhalb der Bevölkerung. Daher ist in der Öffentlichkeit ein klares Bekenntnis von Spitzenpolitikern und allen gesellschaftlichen Institutionen zu Maßnahmen der äußeren Sicherheit dringend nötig.
Gerade während des „Bundesheer-Bashings“ nach dem Tod eines Rekruten hätte es dazu genug Gelegenheit gegeben. Viele Politiker haben diese Chance ungenützt gelassen – einige haben genau das Gegenteil bewiesen!
- Erstellung und Publizierung eines Realisierungsplanes:
Seitens der Bundesregierung sollte ein Realisierungsplan zur Umsetzung der in den bestehenden Grundsatz-Dokumenten angeführten Zielvorgaben vorgelegt werden mit
- klaren Aufstellungsschritten,
- Zeitvorgaben und
- klaren gesetzlich fundierten Budgetzusagen.
Es ist bei der derzeitigen Sicherheitslage von einem jährlichen Budgetbedarf von mindestens 1% des BIP auszugehen. Der Realisierungsplan ist dem Parlament zur Kenntnis zu bringen und in einer Publikation zu veröffentlichen. Weiters ist dem Parlament ein jährlicher Fortschrittsbericht vorzulegen.
- Erstellung eines Einsatzkonzeptes:
In einem Einsatzkonzept für das Bundesheer sollen die operativen Einsatzverfahren festgelegt werden. Dieses ist dem Nationalrat zur Kenntnis zu bringen und dient als Basis für die Evaluierung der Heeresgliederung.
Sollte diese Evaluierung ergeben, dass die Mobilmachungsstärke von 55.000 Soldaten nicht ausreichend ist, so ist eine neue Heeresgliederung zu beschließen.
- Im Personalwesen fordert die Plattform
- die Rückkehr zu verpflichtenden Truppenübungen,
- eine Anpassung der Tauglichkeitskriterien,
- und eine Erhöhung des Wehrpflichtigenanteils (gegenüber dem Zivildienst).
- Im Bereich der materiellen Ausstattung erwartet die Plattform
- die vollständige Ausrüstung aller Angehörigen des Bundesheeres mit moderner Ausrüstung,
- die ausreichende Ausstattung mit schweren Waffen,
- die Schaffung erlassmäßiger und organisatorischer Vorkehrungen zur Anwendung des Leistungsrechtes.
Schöne Worte bei Sonntagsreden und militärischen Festakten sind nicht genug. Es braucht eine ernsthafte und nachhaltige Sanierung des ÖBH – am besten im Konsens aller politischen Parteien. Die Handlungsfelder sind bekannt – jetzt wäre es einmal an der Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen!
Mag. Erich Cibulka, Brigadier
Präsident der Österreichischen Offiziersgesellschaft
Hier finden Sie die elektronische Vorabversion von „Der Offizier Ausgabe 3/17“!