Nr.1/11/09 Delegiertenversammlung der ÖOG am 14.11.2009 in St. Pölten

Am 14.11. 2009 konnte Präsident Hptm HR Dr. Eduard Paulus zahlreiche Ehrengäste begrüßen.

Als ranghöchster Offizier des Österreichischen Bundesheeres wurde der Generalstabschef General Mag. Edmund Entacher willkommengeheißen, der auch eine Festrede mit dem Thema „Lage und Entwicklung beim Österreichischen Bundesheer“ gehalten hat. Neben den Sektionsleitern aus dem BMLVS Generalleutnant  Mag. Freyo Apfalter und Generalleutnant Mg. Dietmar Franzisci waren auch der die Militärkommandanten und Generalmajore Prof Mag. Johann  Culik, Mag. Kurt Raffetseder, Mag. Herbert Bauer, der Kommandant der 4. Panzergrendadierbrigade Brigadier Mag. Robert Prader und der Milizbeauftragte des Österreichischen Bundesheers zugleich Kommandant der Heeresunteroffiziersakademie Brigadier Heinz Hufler erschienen. Verhindert waren der Herr Bundesminister sowie der Stellvertretende Generalstabschef Generalleutnant Mag. Commenda und Sektionsleiter Generalleutnant Mag. Christian Segur-Cabanac, die dieses Wochenende im Tschad weilten, um bei der Closing-Ceremony unsers Tschad-Kontingentes anwesend zu sein.

Mit nachstehender Rede legte Präsident Hptm HR Dr. Eduard Paulus die grundlegenden Positionen der ÖOG dar:

Rede Delegiertenkonferenz 14.11.2009

Liebe Kameraden, ich begrüße Euch alle als Delegierte zur Delegiertenversammlung der ÖOG und danke für Euer Engagement und Euer Kommen.

In etwa die heute anwesende Runde hat mich im November 2007 zum Präsidenten der Österreichischen Offiziersgesellschaft gewählt. Wenn ich damals gewusst hätte, was ich mir selbst verschuldet aufbürde, hätte ich zwar gründlicher nachgedacht, wäre aber trotzdem zum selben Ergebnis gekommen, weil es eine sehr große Ehre ist, für das österreichische Offizierskorps tätig sein zu dürfen.

Ich habe seither in 2 Jahren über 120 Termine wahrgenommen, vom Bundespräsidenten als Oberbefehlshaber angefangen, über den Vizekanzler, den Verteidigungsminister, über die Wehrsprecher, sonstige Politiker, die Sektionschefs natürlich bis hin zu vielen Journalisten, aber vor allem auch habe ich Gespräche mit vielen Kommandanten, Kameraden, Offizieren und Unteroffizieren geführt.

Ich sah und sehe es als meine Pflicht an, mich umfassend zu informieren, aber auch Andere wahrheitsgemäß über die Probleme des Bundesheeres in Kenntnis zu setzen.

Kritische Interviews und kritische Veröffentlichungen, vor allem in unserer Zeitschrift „Der Offizier“, halte ich für notwendig.

Ich möchte betonen, ich stehe persönlich zu allen Kameraden, die zum Teil sehr unterschiedliche Positionen vertreten, ich selbst kann aber nur eine Meinung vertreten, die sich klarerweise niemals 100-prozentig mit der aller übrigen Kameraden decken kann.

Eine Haltung, die nirgends aneckt, ist mir immer fremd gewesen. Andererseits bemühe ich mich, jeden zu respektieren und niemanden zu beleidigen.

Vor diesem Hintergrund gestatten Sie mir daher einige Ausführungen zur gegenwärtigen Situation, wie ich sie beurteile:

Wir haben hervorragende Offiziere und Unteroffiziere des Aktiv-, aber auch des Milizstandes. Unser Ausbildungs- und Bildungsniveau sind international Spitze. Das begründet auch den hervorragenden Ruf der Österreicher im Ausland.

Die Budgetlage des Heeres ist mehr als eng. Ich habe zu Beginn meiner Tätigkeit das Bundesfinanzgesetz im Hinblick auf den Bundesvoranschlagsbereich „Bundesheer“ analysiert und bin erschrocken.

Diejenigen, die in den letzten Monaten unsere Zeitschrift aufmerksam gelesen haben, werden auch die Budgettabelle und die Prozentsätze des Bruttoinlandsproduktes in Erinnerung haben.

Kernproblem sind die hohen Fixkosten im Bereich Personalbetrieb und Luftraumüberwachung incl. Eurofighter-Leasingraten und Luftunterstützung.

Hinzu kommen die hohen Kosten für Auslandseinsätze und die Kosten für den Burgenlandeinsatz, der überdies jährlich rund 3.500 Rekruten „frisst“, die ähnlich wie Systemerhalter nur eine minimale Ausbildung erhalten können.

Es bleibt kaum Geld für dringend notwendige Kaserneninvestitionen, für Ersatz- und Neubeschaffungen, vor allem auch im Rüstungsbereich.

Das Problem wurde durch die aktuelle Finanzkrise und die daraus resultierenden „Pressionen“ noch verschärft.

Es gibt aus der Bundesheerreform 2010, die aus Ressourcenmangel bis 2010 nicht umgesetzt werden konnte, erheblichen Handlungsbedarf. Möglicherweise sind da und dort Zielsetzungen zu korrigieren, weil sie für die vorhandenen Mittel zu ambitioniert sind. Damit muss sich der „Evaluierungsbeirat“ unter Vorsitz des Herrn BMfLVS beschäftigen.

Aus der Lage ergeben sich immer wieder wichtige Diskussionsfelder, die da heißen:

Berufsheer – Milizheer, Auslandseinsätze – Inlandsaufgaben, Beschaffungsschwerpunkte.

Der Generalstab und die Politik ringen um eine Zukunft des Heeres, die mit den äußeren und inneren Rahmenbedingungen vereinbar ist.

Wir in der Österreichischen Offiziersgesellschaft verstehen uns seit 50 Jahren als „Sicherheitspolitisches Gewissen der Republik“. Die Gründung der Offiziersgesellschaften wurde vom damaligen Staatsamt für Landesverteidigung im Bundeskanzleramt und vor allem seinem Leiter Hofrat Liebitzky, dem späteren General Liebitzky tatkräftig unterstützt.

Seit damals gibt es eine enge Verknüpfung mit den offiziellen Stellen des Bundesheeres und so ist auch ein persönlicher Vertreter des Bundesminister, derzeit Herr GenLt Segur-Cabanac, im Vorstand, ebenso wie auch die Militärkommandanten kraft Ihres Amtes Mitglieder der Landesorganisationsvorstände sind.

Wir in der ÖOG sind mehrheitlich der Auffassung, dass nur die allgemeine Wehrpflicht auf Dauer die Qualität des Bundesheeres sicherstellen kann.

Dass nur die besondere Zuwendung zu unseren Rekruten die politische Verankerung in der Bevölkerung und ausreichende Mannstärken sicherstellt.

Dass nur die Wiedereinführung von Volltruppenübungen mit ca. 10% aller Wehrpflichtigen auch nach den 6 Monaten Grundwehrdienst die Befüllung und Aufrechterhaltung der ohnedies nur mehr 11 MilizBaone und 9 PiKp ermöglicht.

Die Experten im Generalstab des Bundesheeres wissen, dass mit dem derzeitigen Stand an MilizBaonen selbst im Mobilmachungsfall nicht mehr als rund 30 wichtige Infrastrukturobjekte gleichzeitig „bewacht“ werden können. Die Liste dieser Objekte (Staudämme, Umspannwerke, Bahnhöfe, Flug¬häfen etc.) liegt aber bei weit mehr als 1.000 wichtigen Infrastruktureinrichtungen.

General Entacher betont immer wieder, dass das Bundesheer aus dem Präsenzstand – einen anderen gibt es verwendungsfähig derzeit nicht – 5.000 bis 10.000 Soldaten aufbringen kann.

Demgegenüber haben wir rd. 30.000 Polizisten, die das Bundesheer im Assistenzfall unterstützen müsste. Die Schweiz übt nächstes Jahr mit einer mobilgemachten Brigade einen „Assistenz-Einsatzfall Innere Sicherheit“. Bei uns finden seit 2005 aber keine Volltruppenübungen mehr statt.

Das ÖBH verfügt nach wie vor über ausge¬zeichnet ausgebildete Kadersoldaten – Offiziere und Unteroffiziere des Aktiv- und Milizstandes, die sich international sehen lassen können. Was zunehmend fehlt, sind gut ausgebildete Mannschaften. Einfache Soldaten, die zu Übungen kommen, gibt es seit 2005 nicht mehr.

Die Auslandseinsätze sind wichtig für das Selbstverständnis der Armee, für die „Fitness“ des Kaders, für einen „Kernstandard“ an Ausrüstung und militärischem Know-How.

So lange es keine EU-Armee gibt, ist aber auch das Inland ein wichtiges Aufgabenfeld.

Ich persönlich glaube, dass die Sicherheit im Inland auch im Falle einer EU-Armee nicht ohne zusätzliche nationale Kräfte wird auskommen können.

Es sind be¬sonders die Assistenz-Einsätze, nicht nur im Katastrophenbereich, sondern im Fall der Fälle auch im Sicherheitsbereich, die ohne Miliz oder zumindest miliz-ähnliche Strukturen nicht möglich sind.

Nebenbei bemerkt, teile ich die Auffassung von Obst dG Stupka, der uns schon des Öfteren in Vorträgen nicht nur auf die Wehrpflicht, sondern auf das moralische Recht des Staatsbürgers hingewiesen hat, militärisch ausgebildet zu werden, so er dies will.

Es muss nach meiner Auffassung – und ich glaube die Mehrheit von uns sieht das ähnlich – ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Inlandsaufgaben und den in den letzten Jahren neu entstandenen Auslandsaufgaben geben.

Vertreter beider großen Parteien sagen mir in persönlichen Gesprächen, dass eine Abschaffung der Wehrpflicht und ein Berufsheer auf absehbare Zeit in Österreich aus verschiedenen Gründen politisch nicht realistisch ist, selbst wenn sich dies manche wünschen würden.

Ich selbst bin darüber nicht unglücklich, weil ohne die verfassungsrechtlich vorgegebenen Milizstrukturen im Bundesheer die Nahebeziehung zur gesellschaftspolitisch relevanten Meinungsbildung noch weiter verloren ginge, als dies manchmal ohnedies bereits der Fall ist.

Hervorragende Kadersoldaten sind für manche Aufgaben zu wenig. Es ist bedenklich, wenn der Nachwuchs an Unteroffizieren und voll ausgebildeten Soldaten langsam zurück geht.

Ich persönlich würde in einer reinen Berufsarmee einen langsam schleichenden „Niveauverlust“ bei den unteren Rängen befürchten.

Ich bin für diese Haltung auch schon kritisiert worden, mehrheitlich habe ich bisher aber Verständnis nicht nur bei Kameraden, sondern auch bei Journalisten und Politikern gefunden.

Die ausländischen Beispiele von Berufsarmeen sind nicht in allen Punkten vorbildhaft.

Dabei muss man sehen, dass sich große Staaten wie etwa Frankreich, Italien, Großbritannien und Spanien trotz aller Probleme mit der notwendigen Anzahl der Soldaten im Vergleich zur Gesamtbevölkerung immer noch leichter tun, als ein kleiner Staat wie Österreich.

Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass Österreich gut beraten ist, ein ausgewogenes Verhältnis von internationaler und nationaler Aufgabenerfüllung beizubehalten und sich vor allem eine Restgröße an militärischer Kompetenz in der Bevölkerung zu bewahren.

Wir werden aus diesem Grund auch heute nachmittag die einstimmigen Beschlüsse des Vorstandes über die Wiedereinführung von Volltruppenübungen für alle Verbände des Bundesheeres sowie betreffend die sogenannte Miliz-Resolution der Delegiertenversammlung zur Bestätigung vorlegen. 

Die Diskussion muss sachlich, konkret und offen geführt werden und ich bin mir sicher, dass der heutige Vortrag von General Entacher zur „Lage und Entwicklung beim österreichischen Bundesheer“ einen kompetenten Anstoß für eine interessante Diskussion bieten wird.

Lassen wir uns nicht auseinanderdividieren.

Halten wir trotz aller Diskussionen fest zusammen, vor allem, ver¬suchen wir – Miliz- und Aktivkader – unsere gegenseitigen Probleme zu verstehen und ge¬meinsam nach Lösungen zu suchen.

In diesem Sinne darf ich unsere heutige Delegiertenversammlung für eröffnet erklären.

Ein herzliches „Glück auf“!

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